Keine weiße Fahne

Keine Aufgabe

Ihre Häuser sind zerfallen, ihr Protest verhallten ungehört oder blieben ungelesen, doch aufgeben wollten sie nie. Jetzt können die wenigen verbliebenen Bewohner der Preußensiedlung in Altglienicke aufatmen. Das in den 1920ern nach den Prinzipien der Gartenstadt unter anderem vom bekannten Architekten Herrmann Muthesius errichtete Gebäudeensemble wird jetzt umfangreich saniert. Graffiti an einer Hauswand in der Preußensiedlung.

Lesestipp: Das Gartenstadtprinzip und die Preußensiedlung

Zahnfleischbluter-Murphy

Schon früh am Sonntagmorgen wurde dieses alte Saxophon in der Schönefelder Maaßenstraße malträtiert. Sein Besitzer mag zwar auf den ersten Blick an Lisa Simpsons Idol Zahnfleischbluter-Murphy erinnern, sein elende Katzenmusik jedoch kam nicht mal annähernd an die Virtuosität des Jazz-Saxophonisten aus der Zeichentrickserie heran. Auch die Anwohner hatten bald genug von dem Gequäke, warfen zwar nicht mit Blumentöpfen sondern vertrieben das traurige Paar.

Überhaupt kein Sex-Appeal

Zum großen Stadtjubiläum 1987 hatte sich Ost-Berlin herausgeputzt. Zumindest da, wo sich die SED-Konsorten nebst geladenen Gästen herumtrieben. Wie im Nikolai-Viertel zum Beispiel, das um die alte Kirche fast ganz neu errichtet wurde. Abseits von den sozialistischen Magistralen dagegen ließen die Genossen die Stadt gnadenlos verrotten. Um so zynischer wirkt der aufgemalte Schriftzug „750 Jahre Berlin“ auf dem vergammelten Fenster an einem Wohnhaus im Prenzl-Berg. Hier präsentierte sich Ost-Berlin – in Anlehnung an ein Zitat vom heutigen obersten Partylöwen der Stadt – nur armselig und kein bisschen sexy. Bild aus meinem Fotoarchiv.

Wenn Steine weinen

Es scheint, als quellen dicke Tränen aus dem Beton und benetzen die Quader des Holocaust-Mahnmals. Kein Wunder, das Bild habe ich vorgestern aufgenommen, am Volkstrauertag, dem Tag, an dem der Toten der zweier Weltkriege und den Opfern von Gewaltherrschaft in aller Welt gedacht werden sollte.

Explodierende Seifenlaugenmembran

Sie wächst, dehnt sich aus, glänzt verführerisch, animiert zum Mitmachen. Aber irgendwann kommt der Moment, denn jeder Börsenjongleur, jeder Tagträumer, jeder Boulevardjournalist fürchtet wie der Teufel das Weihwasser: wenn die trügerischen Illusionen sich in Luft auflösen, die schmierigen Spekulationen nur ein paar Flecken auf dem Boden hinterlassen, wenn sie platzt, die riesige Blase. Am Potsdamer Platz dagegen hatten am Sonntag die Menschen viel Spaß dabei, die hauchdünnen Seifenlaugen-Membrane im lauwarmen Novemberwind fliegen und explodieren zu sehen.

Sisyphus sieht fern

Worte bewegen manchmal mehr als rohe Kraft. Zwar war das Schlussevent der Latinale 2010 mit \’Kleine Unfälle und der Untergang des Imperiums\‘ überschrieben. Aber soweit kam es gestern Abend nicht. Zwar hatten die Initiatoren dieses Festivals für lateinamerikanische Poesie im Vorfeld mit vielen Schwierigkeiten vor allem finanzieller Art zu kämpfen. Fast eine Sisyphus-Aufgabe! Aber sie hatten nicht aufgesteckt, sondern unermüdlich gearbeitet – und das anders als die Figur aus der griecheischen Mythologie mit Erfolg: die Latinale – eines der eindrucks- und ausdrucksvollsten Literaturfestivals in Berlin – konnte ihr fünfjähriges Jubiläum feiern. Ein eindrucksvolles dazu: ein gutes Dutzend Poeten aus acht mittel- und südamerikanischen Ländern präsentierten ihre kunstvollen Verse. Darunter auch der mexikanische Dichter Carlos Vicente Castro. Der ließ den Looser Sisyphus gleich vor dem Fernseher versauern. Wenn das kein gutes Omen für die Zukunft dieses einzigartigen Festivals ist.

Liebe in Zeiten von 1-Euro-Shops

Auch Romantik und Liebe müssen in diesen Geiz-ist-Geil-Zeiten (GIGZ) Abstriche machen. So kann man sich nun auch mit minimalem (finanziellem) Einsatz vor den Traualtar trauen. Arm aber sexy? Gesehen auf dem Winterfeldmarkt in Schöneberg.

Kerzengeraden

Gab es die da schon immer? Es ist wie beim Asterix-Lesen. Wenn man einen Band zum Zigsten-Mal liest, entdeckt man immer noch neue Details in den Bildchen. Ich weiß nicht, wie oft ich bereits im Europacenter gewesen bin. Mehr als hundertmal bestimmt. Diesen witzigen, in allen Farben schillernden Leuchter aus gläsernen Kerzen habe ich da bis zum vergangenen Samstag noch nie gesehen. Manchmal lohnt es sich, auch auf ausgetretenen Pfaden einen zweiten Blick zu werfen, findet Ihr nicht?

Zielwasser

Man könnte meinen, ein nach der französischen Hauptstadt benanntes Restaurant in der Kantstraße hätte nun nach den Preisen auch die Pissoirs hoch aufgehängt. Der Vorort-Check ergab dann aber, dass die Betreiber ihren Gästen die notwendige mentale Stärke und Zielfertigkeit für derart anspruchsvolle Geschäfte offenbar doch nicht zutrauen. Die Pinkelzone des Etablissements jedenfalls präsentiert sich stinknormal.

Turm mit ‚mal Odeur‘

Megafett ist mittlerweile das Areal um und zwischen den Gebäuden der Gedächtniskirche. Currywurstdämpfe, China-Food-Schwaden, Dönerwolken - Fast-Food-Aromen aller Odeur schwängern hier die Luft und verleihen dem Platz seine mittlerweile unverkennbare Duftmarke. Beide Kirchtürme der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sind umzingelt von Schnell-Fresszeug-Buden die ich ganz bestimmt nicht erwähnen würde, wenn sie nicht gerade hier ständen. Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburgs muss schon sehr klamm sein, um ihr Berliner Wahrzeichen diesen Ausdünstungen auszusetzen. Ein trauriges Ambiente!

Megafett ist mittlerweile das Areal um und zwischen den Gebäuden der Gedächtniskirche. Currywurstdämpfe, China-Food-Schwaden, Dönerwolken: Fast-Food-Aromen aller Odeur schwängern dort die Berliner Luft und verleihen dem Platz seine mittlerweile unverkennbare Duftmarke. Beide Kirchtürme der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sind umzingelt von Schnell-Fresszeug-Buden die ich ganz bestimmt nicht erwähnen würde, wenn sie nicht gerade an diesem Ort ständen. Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg muss schon sehr klamm sein, um ihr Berliner Wahrzeichen diesen Ausdünstungen auszusetzen. Welch trauriges Ambiente!

Der Sport-Scheitel

Eine entscheidener Moment im Wett-Hockeyspiel zwischen Berlin und München. Das am 28. Dezember 1913 ausgetragene Match zwischen Pruzzen und Bajuwaren endete schiedlich friedlich 2:2 unentschieden. Auf Berliner Seite kämpfte auch der Preußen-Prinz Sigismund - mit sicher ebenso perfekt gezogenem und gegeltem Scheitel wie bei zwei der drei Sportkameraden in der Mitte des Fotos.

Rennender Gartenzwerg mit Fühlern

Ein blindes Fenster am ehemaligen Gästehaus der DDR-Regierung in Berlin-Pankow wird zur skurillen Gelegenheitskunst.

Linktipp zum DDR-Gästehaus in Pankow: Ostmoderne im Schlosspark Schönhausen

Pistensegler

Schnelle Vehikel waren hier schon immer unterwegs. Doch statt donnernder Jets haben nun lautlose Dreiräder die Landebahnen und Rollwege des Tempelhofer Flugfeldes für sich erobert. Hunderte Kilometer von ihrem ursprünglichen Habitat entfernt lassen sich an schönen Herbsttagen immer mehr der eleganten Strandsegler bei ihren rasanten Ausfahrten beobachten.

Kleine Leute, große Leute

Tobende und raufende Kinder, ein grimmiger Zeitungsleser, der von einem Gespenst gestört wird, überdimensionale Pappnasen und Oberlehrer mit Bauarbeiterhelm. Das Grips-Theater im Berliner Hansaviertel ist nicht nur sehenswert wegen seines berühmten Musicals „Linie 1“, dass Berliner und Berlinerinnen inklusiver der berüchtigten Wilmersdorfer Witwen haarscharf porträtiert, sondern auch wegen seiner Südfassade. Mit seinem riesigen Wandmosaik aus bemalten Fliesen nimmt Rainer Hachfeld dort das Verhältnis von kleinen und großen Leuten auf´s Korn.

Wasserfarben

Das bunte Oktoberlaub taucht den Neuen See im Tiergarten in ein intensives Farbenspiel.