Klopse vom Klo

„Männer“ – dezent weist das emaillierte Schild an dem reichverzierten und grünlackierten Häuschen unter den U-Bahnbögen am Schlesischen Tor darauf hin, wo einst Pissoirs den Inhalt zum Platzen voller Blasen abführten. Heute werden in dem Büdchen andere Bedürfnisse bedient. Trotzdem heißt es oft Schlange stehen. Denn hier werden jetzt Burger-Variationen kreiert, die anscheinend ziemlich vielen Leuten ganz gut schmecken – und die dafür mitunter ziemlich langes Warten in Kauf nehmen. Frisches Bier gibt´s auch. Und ein paar (meistens besetzte) Stehtische, die im Takt der obendrüber rollenden U-Bahnen erzittern. Dazu großstädtische Geräusch- und Geruchskulisse im multikulturellen Ambiente. Herz, was will´ste mehr?

Reset

Die Natur hat ihren Neustart bereits hingelegt: bei lauen Frühlingslüftchen sprießt, wächst und gedeiht es überall in Berlin. Blühende Obstbäume umrahmen auch das ehrwürdige Zeiss-Großplanetarium an der Prenzlauer Allee. Für die 26 alte Kuppel für Astronomie- und Wissenschaftsshows heißt es jetzt auch „Alles auf Anfang“. Das angejahrte Bauwerk sagte am Wochenende mit wirklich spektakulären Sternen- und Laserprojektionen auf eindrucksvolle Weise „Good Bye“.

Das Gebäude wird nun grundlegend saniert und die alte Mechanik und Optik durch modernste Digitaltechnik ersetzt. Im neuen Hightech-Gewand präsentiert sich das Planetarium dann in rund einem Jahr*. Man darf sich also schon jetzt auf fabelhafte Impressionen aus hintersten Winkeln des Universums und anderen Wissenswelten freuen.

*Anmerkung: Ein Berliner Baujahr dauert in der Regel länger als ein gewöhnliches „Menschenjahr“.

Die eine Säule des Herakles

Der griechische Gott Herakles setzte ihn einst auf die Südseite der Straße von Gibraltar: jenen weithin sichtbaren, aus purem Gold gefertigten Pfeiler, der zusammen mit seinem grünen, ganz aus Smaragd geschliffenen Widerpart auf der Nordseite der Meerenge das Ende der Welt markierte. Völlig überraschend ist nun die seit der Antike verschollene goldene Säule des Herakles mitten in Berlin wieder aufgetaucht. Direkt vor den Hackeschen Höfen reckt sie sich strahlend gen Himmel empor. Ungläubig staunend, ja fassunglos lässt eine Passantin ihren Blick an dem im Sonnenlicht blitzenden Bauwerk hinaufgleiten. Kann das denn wahr sein?

Heiße Röhren

Heiße Röhren

Nein – die poppigen Neonlichter sind nicht den illumierten Hirnwindungen eines der Festival-of-Lights-Kreativen entsprungen. Vielmehr leuchten sie in allen Spektralfarben unter dem Vordach des Karstadt-Sporthauses an der Ecke Kant-/Joachimsthaler Straße.

Späte Rache

Verkehrskanzel auf Rot

Viele Jahre schon wurde sie nicht mehr beachtet, ja regelrecht ignoriert, die Verkehrskanzel an der Kreuzung Kurfürstenamm / Joachimsthaler Straße. Dabei ist sie hier in Berlin ein städtebauliches und verkehrstechnisches Unikat. 1954/55 nach Plänen von Werner Klenkes und Bruno Grimmeks errichtet, vereint sie auf originelle Weise vekehrsobservierende und -lenkende Aufgaben mit Funktionen als Kiosk, Telefonzelle, Toilette und Zugang zum damals zeitgleich gebauten U-Bahnhof Kurfürstendamm.

Schon bald aber war die einsame Verkehrskanzel nicht mehr Herrin über den ausufernden Straßenverkehr. Dann pflanzte man Bäume, die ihr jede Sicht nahmen. Die rundumverglaste Kanzel versank im Dornröschenschlaf. Bis das Festival of Lights sie Mitte Oktober wieder zum Leben erweckte. Wie eine späte Rache an all denjenigen, die in den letzten Jahrzehnten rechts oder links vorbeirauschten, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, mutet es da an, dass die Kanzel nun jeden Abend ausgerechnet in jener Farbe zu strahlen beginnt, die als Hassfarbe jedes Autofahrers gilt: leuchtendes Signal-Rot.

Urbane Lichterträume

Urbane Leuchtspuren

Es wirkt fast wie eine textmarkerfarbene Imitation des Trailers einer berühmten Hollywood-Traumfabrik: Die Leuchtreklame des Hotels „Boulevard“ am Kurfürstendamm wird durch die neongrüngelbe Inszenierung des Zoofenster-Towers glänzendes in Szene gesetzt. Mit Ausnahme der Hotellettern ist diese Lichtershow Teil des Festival of Lights 2011.

Leuchtendes Antlitz

Leuchtendes Antlitz

„Faces of Berlin“ heißt die Installation des Videovirtuosen Bartosz Navarra am Potsdamer Platz. Auf eine riesige Maske des Bildhauers Erik Tannhäuser vor dem Kollhoff-Tower er am Potsdamer Platz Porträts von Passanten, die sich vorher in seinem temporären Studio in den Arkaden haben ablichten lassen.

Wie aus tausendundeiner Nacht

Festival of Lights and Cameras

Es ist ein Fest der Sinne und ein Eldorado für Fotografen aller Couleur, dieses Farben- und Formenspektakel in der ganzen Stadt. Besonders beeindruckend finde ich stets, wie es den Illuminationskünstlern des Festival of Lights gelingt, für einige Nächte den Berliner Dom – ansonsten zumindest für mich nicht gerade eine Augenweide – in einen ästhetischen Hochgenuss zu verwandlen. Sie schaffen es, am Lustgarten eine wundervolle, fast magische Atmosphäre zu kreieren, exotisch und zauberhaft wie aus Tausend-und-einer-Nacht.

Berliner Dom und Telespargel beim Festival of Lights 2011

Berliner Dom beim Festival of Lights 2011

Spot on Telespargel


Die schlanke Silhouette des Fernsehturms, heute früh um 6:25 Uhr in Szene gesetzt vor der aufgehenden Sonne. Kann ein Tag schöner beginnen?

Baustellenimpressionismus

Baustellenimpressionismus
Die durch das mit Graffiti übersprühte Fenster einfallende Sonne und die Regenwasserpfütze kreieren eine Farbwelt van goghschen Kalibers auf dem nackten Betonboden. Die eindrucksvolle Athmosphäre in der dritten Etage des ehemaligen Gästehauses der DDR-Regierung in Pankow habe ich dort heute während des Richtfests fotografiert. Das denkmalgeschützte und direkt am Schlosspark Schönhausen gelegene Gebäude wird derzeit saniert und zur Wohnnutzung umgebaut.

Stern(e) über(m) B…

…reitscheidplatz. Wenigstens in der Adventszeit bekommt die sich auf dem Dach des Europacenters drehende überdimensionale Ikone nicht mehr ganz junger Kfz-Fetischisten Gesellschaft von leuchtenden Himmelskörpernachbildungen, die eher das Herz als das Statusbewusstsein ansprechen.

Kerzengeraden

Gab es die da schon immer? Es ist wie beim Asterix-Lesen. Wenn man einen Band zum Zigsten-Mal liest, entdeckt man immer noch neue Details in den Bildchen. Ich weiß nicht, wie oft ich bereits im Europacenter gewesen bin. Mehr als hundertmal bestimmt. Diesen witzigen, in allen Farben schillernden Leuchter aus gläsernen Kerzen habe ich da bis zum vergangenen Samstag noch nie gesehen. Manchmal lohnt es sich, auch auf ausgetretenen Pfaden einen zweiten Blick zu werfen, findet Ihr nicht?