Frühlingsboten

Krokus und Enzian vor dem Babelsberger Kaiserschloss
Krokus und Enzian vor dem Babelsberger Kaiserschloss
Eis schließt die rostigen Reste eines Schiffes im Berliner Osthafen ein. Das Wrack könnte von Tragödien erzählen. Der Eigner nannte es nach seiner tödlich verunglückten Frau. In den Nachwendezeiten schipperte die nobel ausgebaute „Dr. Ingrid Wengler“ Passagiere über die Wasserstraßen Brandenburgs und Europas. Bis ein Berliner Wasser- und Schifffahrtsamt nach Streit mit dem Eigner das Schiff in den Osthafen schleppen ließ und – so liest man – es seinem Schicksal überliess. Ein nicht geschlossenes Ventil und im Winter platzende Leitungen beschädigten das Schiff, die in Berlin überall heimischen Vandalen taten das ihrige. Nun vollendet der Zahn der Zeit stetig und unerbittlich das Zerstörungswerk.
Keine 48 Stunden nach dem letzten Wintereinbruch hat sich die Stadt bereits vollständiger ihrer weißen Pracht entledigt, wie der Blick aus dem Haus der Werbung an der Urania gen Potsdamer Platz und Fernsehturm beweist. Schnee gibt es jetzt nur noch im Bundestag und ähnlichen Hotspots.
Neuschnee und Lockdown haben am vergangenen Wochenende einen der frequentiertesten und zugleich unwirtlichsten Orte der City-West leergefegt. Keine Menschenseele wagt sich hinaus, nur ein einsamer Doppeldecker der BVG quert die Kreuzungen zwischen Kleiststraße, Martin-Lutherstraße, An der Urania und Lietzenburger Straße.
Die Bahn nach Spandau bringt die Erlösung vom einsamen Warten bei sibirischer Kälte in den S-Bahnhof Warschauer Straße.
Nach der Schlittenpartie mit Papa geht es vom Party-Bahnhof unter der Warschauer Brücke zurück nach Haus.
Rodel-Freu(n)de: eine Clique Berliner Jören trifft sich an der Jungfernbrücke in Mitte, aufgenommen wohl im Winter 1934. (Sammlung/Archiv Sven Hoch)
Mit den Jungs heute vom ersten Preußen-Willi seiner pompösen Aussichtsplattform durch den schneeweißen Grunewald.
Eingebettet in pulverigen Neuschnee und angestrahlt von der winterlichen Morgensonne kann die hölzerne Kapelle auf dem größten jemals für Berliner Verblichene geschaffenen Gottesacker, dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf, jene nordischen Vorbilder nicht verleugnen, die ihrem Schöpfer, dem Architekten Gustav Werner, wohl einst beim Entwurf Pate standen.
Der Blick auf diesen „Wingert“ in sonnenverwöhnter Toplage weckt nicht nur die Vorfreude auf einen schmackhaften Schoppen am Abend sondern macht auch klar: der Herbst ist jetzt endgültig in Berlin angekommen.
Hinein ins Sonnenlicht! Frühlingsextase im Tempelhofer Natur-Park Südgelände.
Frühlingserwachen mal ordentlich eingetopft oder in Reih und Glied: Sprossen und Triebe grünen in diesem Vorgarten eines Mietshauses in der Schieperstraße (Berlin-Tegel) gen Himmel.
Eine hauchdünne Schicht Schnee überzieht die Relikte der alten Jute- und Baumwollspinnerei in Potsdam. Der burgartige Klinkerkoloss kontrastiert mit den filigranen, ebenfalls weiß „gepuderten“ Ästen und Zweigen der knorrigen Eiche. (Mehr zu dem Geschichte und Zukunft des Gebäudes gibt es hier zu lesen.
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Es ist nicht zu fassen, der November kann sogar strahlen! Ein Sonnentag zwischen Neuem Palais und Charlottenhof in der Ohne-Sorgen-Gartenanlage in Potsdam.
Sich wohlig räkeln in wärmenden Sonnenstrahlen umgeben von historischer Kulisse und direkt unter den zarten Knospen austreibender Linden – gibt es inmitten der Stadt einen perfekteren Ort als den Lustgarten, um den beginnenden Frühling zu genießen?