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Ostblock-Moloch

Angesichts des grau-braunen „Memi-Monsters“ erdulden Wartende an der Tram-Haltestelle Karl-Liebknecht-Str./ Ecke Memhardstraße schlimmste visuelle Pein. Das heruntergekommene Plattenungetüm würde man eher in Pjöngjang als in prominenter Lage von Berlin-Mitte verorten.

„Entworfen“ – wenn man das überhaupt so sagen darf – hat den Gebäude-Komplex Anfang der 1980er Jahre ein von Klaus Bläsing geleitetes Architekten-Kollektiv. Federführend dürfte das Wohl der Werktätigen und das Glück des Volkes da eher nicht gewesen sein. Der Bau ist vielmehr ein Sinnbild für die Perfektion der Hässlichkeit, die infolge der dem DDR-Sozialismus inhärenten Menschenverachtung und limitierten wirtschaftlichen wie kreativen Möglichkeiten die städtebauliche Entwicklung im verblichenen Arbeiter- und Bauernstaat beherrschte.

Unter Beobachtung

An der Mauer stets fest im Blick der Grenztruppen. East-Side-Gallery 2013.

Ziegel-Platte

Ziegel-Platte

Scharfer Kontrast zwischen der erhabenen Ziegelfassade des früheren Postamts „Lichtenberg 1“ und der uniformen „Platte“ des einstigen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Beide Gebäude sind derzeit weitgehend verwaist. Während in dem denkmalgeschützten Postbau Wohnungen entstehen sollen, soll Mielkes Machtzentrale zu einem „Campus der Demokratie“ entwickelt werden.

Schnickschnack

Keine Frage, sie gehören mittlerweile zu Berlin wie das Brandenburger Tor oder die Berliner Weiße. Trotzdem ist es kaum zu fassen, dass diese wilden Verkaufsstände mit Rote-Armee-Replika made in China und anderen gefakten Ost-Memoralia nicht aussterben! Aber irgendwie finden sie an irgendwelchen Straßenecken – wie hier an der Stresemannstraße Ecke Köthener in Mitte – immer wieder ein geeignetes Habitat, um ihren billigen Nepp feilzubieten. Und der bunte Schnickschnack macht offenbar genügend Touristen schöne Augen!

Der Mensch bezwingt den Kosmos

Der Mensch bezwingt den Kosmos

So lautet der Titel von Fritz Eisels 18teiligem Mosaik, das sich wie ein Band um drei Seiten des einstigen DVZ (Datenverarbeitungszentrum) an der Breiten Straße in Potsdam zieht. Gemeint sein kann allerdings nur die Eroberung des sozialistischen Teils des Universums, denn auf den Segmenten finden sich nur Szenen aus der Frühzeit der sowjetischen Raumfahrt. So sind z.B. Juri Gagarin (1961 der erste Mensch im All) und Alexsei Leonow (wagte 1965 den ersten Weltraumspaziergang) abgebildet.

Das Kunstwerk ist eines der wenigen Überlebenden des sozialistischen Realismus, die sich in Potsdam noch finden lässt. Sozialistischer Realismus – der Begriff ist ja irgendwie schon ein Widerspruch in sich. Aber auch Eisels Überschrift über seinem monumentalen Comic erscheint heute angesichts des maroden Plattenbaus noch eine Milchstraßenlänge realitätsferner als schon zu Erichs Zeiten.

Trotzdem kann nur hoffen, dass das Mosaik irgendwie erhalten bleibt. Schließlich steht es für eine Epoche der (ost-)deutschen Kunstgeschichte, aus der schon viel zu viele Werke rückstandslos getilgt worden sind.

Ein schreckliches Jubiläum

Kein Tag wie jeder andere, dieser 13. August 2011. Heute vor 50 Jahren wurde Berlin brutal in zwei Hälften gerissen. „Antifaschistischen Schutzwall“ nannte die spitzbärtige Sowjetmarionette und seine SED-Genossen den Wall, der Familien und Freunde für Jahrzehnte voneinander trennte. Den Wall, der ein ganzes Land zum Gefängnis machte. Den Wall, der das Todesurteil bedeutete für viele Menschen.

Kein Tag wie jeder andere, dieser 13. August. Sondern ein Tag, um innezuhalten und an das Geschehene zu erinnern. Ich möchte das mit drei Fotos tun, die mir mein Vater gemailt hat. Er hat sie im November 1961, also wenige Monate nach dem Mauerbau aufgenommen. Die Bilder zeigen die damals noch provisorisch wirkenden Grenzanlagen im Abschnitt entlang der Bernauer Straße, der den Bezirk Wedding (französicher Sektor, West-Berlin) vom Prenzlauer Berg (Sowjetischer Sektor, Ost-Berlin) trennte.

Berliner Mauer an der Bernauer Straße in 1961

Das erste Foto – aufgenommen aus dem Auto – zeigt die Berliner Mauer an der Ecke Bernauer Straße / Bergstraße von West Berlin aus gesehen. Deutlich sind zwei DDR-Grenzsoldaten oberhalb des Warnhinweises („FIN DU SECTEUR FRANCAIS“) zu erkennen.

Berliner Mauer an der Bernauer Straße in 1961

Auf dem zweiten Bild ist die damals noch improvisierte Bauweise der frühen Berliner Mauer gut sichtbar. Der Ausbau der Grenzanlagen zu jenem perfiden und tödlichen Bauwerk wie ich es in der Erinnerung habe, erfolgte erst in den 1970er/1980er Jahren.

Blick durch die Mauer auf den Sophienfriedhof II

Das letzte Bild des Trios ist durch einen Spalt in der noch unvollkommenen Mauer aufgenommen. Der Ausschnitt zeigt einen baumbestandenen Weg. Die Allee gehörte zum Friedhof 2 der Sophiengemeinde. Der Gottesacker erstreckte sich zwischen Berg- und Ackerstraße im Bezirk Prenzlauer Berg bis zur Bernauer Straße. Genau dort wurde im August 1961 die Mauer errichtet. Deutlich sichtbar sind die zusätzlichen Sperrmaßnahmen hinter der Mauer wie Stacheldraht und aufgeschichtete Betonplatten. Im Hintergrund sind wieder einige DDR-Grenzer zu erkennen.

Die Fotos erschüttern, finde ich, noch immer. Gerade heute. Denn der 13. August ist kein Tag wie jeder andere. Nicht in Berlin.

Blickfang

Blickfang

Ganz unbescheiden nannte man sie „Arbeiter- und Bauern-Mercedes“. Aber als die monsungelb, panamagrün oder delphingrau gefärbten Plastikkarossen Anfang der 1990er noch zu Tausenden durch Berlin wuselten, reagierten die meisten Menschen nur genervt auf den typischen Knattersound und die penetrante Duftnote. Heute dagegen sieht man so gut wie keine dieser pastelfarbenen Asphaltblasen mehr auf den Straßen der Hauptstadt. Ganz selten laufen sich noch zwei der mittlerweile legendären Trabanten direkt über den Weg. Wenn dann aber wie hier zwei Rennpappen ihre Zweitakt-Motörchen für ein heißes Ampelrennen auf volle Touren bringen, werden sie für den einen oder anderen Zeitgenossen wieder zum unwiderstehlichen Hingucker. Gesehen am vergangenen Samstag am Werderschen Markt.

Omas Märchenstunde (Ost)

Es waren einmal ein Ochs und ein Esel, die lebten in einem seltsamen Land direkt hinter dem eisernen Vorhang. Sie waren die Lieblingstiere von einem kleinen Mann. Der regierte zusammen mit seiner sanftmütigen Frau dieses seltsame Land. Nette Abwinker und Mitläufer und die Jungs vom Stasi-Club halfen ihnen dabei. Der kleine Mann liebte die Harmonie. Sein Traum war es, aus Ruinen etwas Großes schaffen. Er wollte, dass alle Menschen die gleichen frohsinnigen Gedanken hegen wie er und seine geliebte Frau. Aber es gab Schädlinge im Volk, die wollten nicht so wie er. Die versuchten sogar den mit soviel Hingabe gewebten eisernen Vorhang einzureißen. Also beschlossen der kleine Mann, seine Frau und die verantwortungslosen Abwinker und Mitläufer, diese ins Gefängnis zu werfen, ihnen die Kinder wegzunehmen oder – wenn es nicht anders ging – sie erschießen zu lassen. Irgendwann aber hatte das Volk soviel Werbefernsehen gesehen, dass es genug hatte von der Harmonie. Es sehnte sich nach Skandalen am Ballermann und Punkten in der Verkehrssünderkartei in Flensburg. Es rottete sich zusammen und vertrieb den kleinen Mann und seine sanftmütige Frau und all die Abwinker, die nie Verantwortung trugen, aus dem Paradies. Und weder Ochs noch Esel hielten sie dabei auf. Dem kleinen Mann und seiner sanftmütigen Frau brach dies das Herz. Viele, viele Jahre sind seitdem vergangen. Das seltsame Land gibt es nicht mehr. Doch in manchen Köpfen lebt es fort. Denn noch immer träumen die netten Abwinker und Mitläufer und ihre Freunde von der Harmonie und den Jungs vom Stasi-Club, so wie es sie einmal gab in jenem seltsamen Land. Und wenn sie nicht gestorben sind, träumen sie davon hoffentlich noch bis in alle Ewigkeit.

Überhaupt kein Sex-Appeal

Zum großen Stadtjubiläum 1987 hatte sich Ost-Berlin herausgeputzt. Zumindest da, wo sich die SED-Konsorten nebst geladenen Gästen herumtrieben. Wie im Nikolai-Viertel zum Beispiel, das um die alte Kirche fast ganz neu errichtet wurde. Abseits von den sozialistischen Magistralen dagegen ließen die Genossen die Stadt gnadenlos verrotten. Um so zynischer wirkt der aufgemalte Schriftzug „750 Jahre Berlin“ auf dem vergammelten Fenster an einem Wohnhaus im Prenzl-Berg. Hier präsentierte sich Ost-Berlin – in Anlehnung an ein Zitat vom heutigen obersten Partylöwen der Stadt – nur armselig und kein bisschen sexy. Bild aus meinem Fotoarchiv.

Fritzens Alu-Stäbchen

Fritz Kühns Alu-Stäbchen

Er war nicht nur ein begnadeter Kunstschmied und Bildhauer, der Berliner Künstler und Handwerker Fritz Kühn (1910 – 1967) galt auch als innovativer Trendsetter für Kunst am Bau. Als eine der ersten ätzte Kühn Skulpturen in Aluminiumplatten für die Fassadengestaltung von Gebäuden. Die metallisch glänzenden Stäbchen hier fertigte er kurz vor seinem Tod für das neue Apartmenthaus für Gäste der Regierung der DDR im Schlosspark Pankow. Wenn sie in der Sonne metallisch schimmern, verleihen sie dem funktionalen Bau ein futuristisch funkelndes Antlitz.

Linktipp: Ostmoderne im Schlosspark: Mehr zur Geschichte und Architektur des ehemaligen Appartementhaus für Gäste der DDR-Regierung im Schlosspark Schönhausen