Späte Rache

Verkehrskanzel auf Rot

Viele Jahre schon wurde sie nicht mehr beachtet, ja regelrecht ignoriert, die Verkehrskanzel an der Kreuzung Kurfürstenamm / Joachimsthaler Straße. Dabei ist sie hier in Berlin ein städtebauliches und verkehrstechnisches Unikat. 1954/55 nach Plänen von Werner Klenkes und Bruno Grimmeks errichtet, vereint sie auf originelle Weise vekehrsobservierende und -lenkende Aufgaben mit Funktionen als Kiosk, Telefonzelle, Toilette und Zugang zum damals zeitgleich gebauten U-Bahnhof Kurfürstendamm.

Schon bald aber war die einsame Verkehrskanzel nicht mehr Herrin über den ausufernden Straßenverkehr. Dann pflanzte man Bäume, die ihr jede Sicht nahmen. Die rundumverglaste Kanzel versank im Dornröschenschlaf. Bis das Festival of Lights sie Mitte Oktober wieder zum Leben erweckte. Wie eine späte Rache an all denjenigen, die in den letzten Jahrzehnten rechts oder links vorbeirauschten, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, mutet es da an, dass die Kanzel nun jeden Abend ausgerechnet in jener Farbe zu strahlen beginnt, die als Hassfarbe jedes Autofahrers gilt: leuchtendes Signal-Rot.

Urbane Lichterträume

Urbane Leuchtspuren

Es wirkt fast wie eine textmarkerfarbene Imitation des Trailers einer berühmten Hollywood-Traumfabrik: Die Leuchtreklame des Hotels „Boulevard“ am Kurfürstendamm wird durch die neongrüngelbe Inszenierung des Zoofenster-Towers glänzendes in Szene gesetzt. Mit Ausnahme der Hotellettern ist diese Lichtershow Teil des Festival of Lights 2011.

Leuchtendes Antlitz

Leuchtendes Antlitz

„Faces of Berlin“ heißt die Installation des Videovirtuosen Bartosz Navarra am Potsdamer Platz. Auf eine riesige Maske des Bildhauers Erik Tannhäuser vor dem Kollhoff-Tower er am Potsdamer Platz Porträts von Passanten, die sich vorher in seinem temporären Studio in den Arkaden haben ablichten lassen.

Wellenkonserven

Schöneberger Frisörgeschäft (ca. 1955)

Haltbare Locken konnte sich die Schöneberger Dame Mitte der 1950er Jahre in diesem Friseurlädchen kringeln lassen. Ein Salon für die frisurbewusste Frau aus dem Kiez, ganz im etwas biederen Charme des beginnenden Wirtschaftswunders. Aus meinem Berliner Bildarchiv.

Wie aus tausendundeiner Nacht

Festival of Lights and Cameras

Es ist ein Fest der Sinne und ein Eldorado für Fotografen aller Couleur, dieses Farben- und Formenspektakel in der ganzen Stadt. Besonders beeindruckend finde ich stets, wie es den Illuminationskünstlern des Festival of Lights gelingt, für einige Nächte den Berliner Dom – ansonsten zumindest für mich nicht gerade eine Augenweide – in einen ästhetischen Hochgenuss zu verwandlen. Sie schaffen es, am Lustgarten eine wundervolle, fast magische Atmosphäre zu kreieren, exotisch und zauberhaft wie aus Tausend-und-einer-Nacht.

Berliner Dom und Telespargel beim Festival of Lights 2011

Berliner Dom beim Festival of Lights 2011

Mut zur Lücke

Mut zur Lücke - Containerzug im Bahnhof Spandau

Warum die Verspätungen erst angezeigt werden, wenn der Zug schon längst hätte da sein sollen? Keine Auskunft! Warum der ICE Wolfsburg so gerne links liegen lässt? Man hört nur Ausflüchte! Warum der wie eine Kopie des dünnhäutigen HB-Männchens wirkende Ex-Bahnchef noch eine Abfindung erhielt statt Schadensersatz leisten zu müssen für verantwortungsloses Missmanagement (Börsentaugliche Zahlen auf Kosten der Sicherheit wie bei der S-Bahn-Tochter in Berlin)? Kein Kommentar! Da ist es ja mal echt überraschend, wenn die Deutsche Bahn so offen Mut zur Lücke beweist wie hier im Bahnhof Spandau.

Gallopierender Gaul

Gallopierender Gaul

Ein rasendes Ross am glänzenden Kühler, ungebändigte Pferdestärken schlummern verborgern unterm schimmernden Blech. Kein Hafermotor unter der metallenen Haube, sondern oktangierige Zylinder. Der wilde Mustang lief mir nicht in den endlosen Weiten der märkischen Prärie, sondern mitten am Kudamm vor die Linse.

Das Fenster zur Welt

Das Fenster zur Welt

Ein winzige Öffnung, beinahe verloren in einem riesigen Steinhaufen. Ein lütte Luke, fast erdrückt von riesigen Lettern. Ein unscheinbarer Durchbruch, doch ausreichend um neue Dimensionen zu erschließen. Ein Ausguck für ganz große Entdeckungen. Erspäht in Mitte.

Entsorgungsanleitung

Hau weg den Dreck!

Klare Worte, die sogar Zugezogene aus Chemnitz und Stuttgart erfolgreich befolgen können. Fotographiert auf dem Falkplatz in Prenzl-Berg.

Herbst-Herold

Herbst-Herold

Mit seiner ganzen geballten Leuchtkraft kündigt der Altweibersommer unmissverständlich den nahenden Herbst an. Das intensive Gelb des alternden Laubs säumt hier den Bethaniendamm (links) in Mitte und den Engeldamm (rechts) in Kreuzberg. Passend dazu hat sich auch die imposante St.-Thomas-Kirche im Bildhintergrund in herbstliche Rot-Töne gekleidet.

Löwenbändiger

Löwenbändiger

Die beiden prächtigen Löwenköpfe können niemandem wirklich gefährlich werden. Denn sie müssen die Last der rankenverzierten Säulen tragen, auf denen das Vordach dieses herrlichen Eingangsportales am Viktoria-Luise-Platz ruht. Trotzdem bricht bei vielen, die sich diesem kunstvollen Torbogen nähern, oft der pure Angstschweiß aus. Denn sie wissen, was hinter den Flügeln der hölzernen Tür auf sie wartet: der Zahnarzt.

Deutsche Wenden

Welches Foto passt am Besten zum 21. Jahrestag der Wiedervereinigung? Bilder von der Einheitsparty am Brandenburger Tor, wo viele Würtemberger aber so gut wie keine (Ost-)Berliner feiern? Von Wendehälsen aus der IM-Partei oder der wankelmütigen Mutti vom meckleburgischen Lande oder dem korpulenten pfälzischen Aussitzer? Nein, mein Bild des Tages soll ein wirkliches Symbol für das heutige, das vereinigte Deutschland sein. Für ein nachwendiges Deutschland.

Meine Wahl fiel auf ein Foto, vor kurzem aufgenommen an einer Stelle, wo einst die Mauer die beiden Teile Berlins unerbittlich trennte. Kaum waren 1990 die Grenzanlagen geschleift, besetzte hier eine Handvoll Menschen den nackten ehemaligen Todesstreifen zwischen den damals noch eigenständigen Bezirken Treptow und Kreuzberg. Die Invasoren bewohnten baufällige Bauwagen und verwandelten das leergeräumte Stück Ödland auf der Lohmühleninsel in ein grünes Refugium. Ihre Wagenburg existiert noch heute, auch wenn von den frühen Mitstreitern fast keiner mehr dort wohnt. Doch auch die heutigen Bewohner zeigen, dass sie mit Deutschlands politischen und gesellschaftlichen Volten umgehen können. So kommt in den Wagen nur Strom aus der Steckdose, der ganz den Leitlinien der Energiewende entsprechend mit eigenen Solarzellen produziert wird. Daher ist dieses Bild – wie ich finde – das richtige für den 21. Geburtstag des wiedervereinigten Deutschlands. Was meint ihr?

Untergrundkälte für perlige Blonde

Kühlkeller

Was gibt es schöneres bei diesen überraschend warmen Temperaturen als ein herrlich kühles Bier. Dumm nur, wenn kein Strom vorhanden ist, um einen Kühlschrank zu betreiben. Wie in der Wagenburg an der Lohmühlenstraße in Treptow. Dort hat man sich an eine ganz alte Lösung erinnert, um den Gerstensaft angenehm kalt zu halten: den Kühlkeller. In das Fundament eines alten Brückenpfeilers baute man einen unterirdischen Kühlkeller für Bier und andere Getränke – ganz so wie es anno dazumal fast alle Berliner Brauereien machten. Der kalte Keller kommt ganz ohne Energie aus und funktioniert hervorragend. Davon können sich die Besucher eines der vielen Kulturevents in der Lohmühle überzeugen, wenn sie ein süffiges Blondes bestellen.

Kleine Geheimnisse

Kleine Geheimnisse

Möglichst der ganzen Welt etwas miteilen ist Anspruch jeder Bühne. Das gilt erst recht für das Amphitheater im Mauerpark, wie die unzähligen Inschriften auf den Rängen eindrucksvoll belegen. Doch dann gibt es auch noch jene Worte, die nur für einen einzigen Menschen bestimmt sind.

Spätsommer-Solo

Spätsommer-Solo

Nur seine Gitarre und er. Und der Miniverstärker für den Sound. Und die untergehende Sonne für die Lichteffekte. Und das heißeste Pflaster Berlins. Und ein aufgeheiztes Publikum. Perfekte Bedingungen für den Gig seines Lebens. Gesehen (leider kaum gehört, dafür war der Lautsprecher zu schwachbrüstig) heute am frühen Abend im Amphitheater des Mauerparks.